Schopski Gjuvetsch oder Maminkas Leitfaden zum Kochen

Ich saß schlaftrunken im Taxi und ein Schrei gellte durch die Nacht: „Maminke!!“ Meine Frau wollte nur den Schlüssel holen, damit wir in der Familienresidenz ins Bett fallen konnten. Maminka, ihre hochbetagte 92-jährige Großmutter hatte sich aber nicht davon abhalten lassen, für uns nach der langen Reise zu kochen. Damit wir um 3 Nachts was zu beißen haben. Weil das geplante Frühstück erst um 9 Uhr ist. Und Mittag um 12 Uhr. Und wehe wir erscheinen nicht pünktlich. Maminka war 92 Jahre alt, aber rüstig! Und erfahren darin, Widersprüche und Widerstände resolut zu ignorieren, wobei sie sich auf ihre mittelgradige Altersschwerhörigkeit bei der Überhörung jeglicher Hindernisse stützen konnte. Es gibt ein Foto meiner Frau, wo sie zwischen ihrer schwerhörigen Tante und Maminka sitzt und beide ihr ins das zugewandte Ohr schreien. So kann an der Wahrung der familieneigenen Schwerhörigkeit mitgearbeitet werden.

Dank meiner Schwägerin durften wir morgens das Frühstück verschlafen, da sie es nach mehrstündigem Telefonat Maminka ausgeredet hatte mit der Begründung, dass wir zuerst ausschlafen sollten nach der späten Ankunft und sie vielleicht uns erst zu Mittag erwarten soll.  Dennoch klingelte uns meine Schwägerin um 11:45 Uhr im Auftrag von Maminka aus dem Bett mit der Frage, wieso wir noch nicht zu Mittag erschienen sind. Es ist ja schon fast 12 Uhr! Maminka kocht schon seit 4 Uhr morgens und wartet seitdem auf uns! Also sind wir Hals über Kopf, schlaftrunken und ohne Kaffee durch die Stadt gehetzt und haben jegliche Geschwindigkeitsrekorde für diese Strecke gebrochen und sind in der Eile beinahe an Maminkas Haus vorbeigerannt.

Das konnte nur lecker werden!

Das Haus mit einem kleinen Garten steht inmitten von Targovishte. Als es erbaut wurde, stand es am Stadtrand, allerdings hatte sich dieser im Laufe der Jahre auf Wanderschaft gemacht und ward weitergezogen. Maminka erwartete uns zusammen mit einer Tante. Ich wurde als Fremder zuerst einer eingehenden Begutachtung unterzogen. Zwei Hände tatschten über mein Gesicht, ich wurde auf Bulgarisch zugeredet und verstand nichts. Mir wurde in dem Mund geschaut wir bei einem Pferd und in die Backen gekniffen. Hierbei meine ich alle Backen, um zu prüfen, ob ich ein Hungerleider bin. Denn dann wäre ich zu arm. Nach dem der Körper und die Kleidung am Leibe für gut befunden wurde, durfte ich das Heiligtum betreten. Das Heiligtum war der Garten. Tomatenstauden wurden angebaut, Kartoffeln, Zucchini und anderes. Überall und einen nicht nach dem deutschen Kleingartengesetz angelegten System wuchs und gedeihte ziemlich viel Grünzeug. Es stellte sich nach näherer Betrachtung als Kräuter heraus. Viel Zeit blieb nicht, es war ja 11:55 Uhr und wir wurden ins Haus gebeten, um zu essen.

Für mich als Beobachter, der der bulgarischen Sprache nicht mächtig ist, waren die Mahlzeiten eine komfortable Situation. Als Mann, der sich den Gepflogenheiten älterer gesellschaftlichen Konventionen im Hause Maminka‘s unterwarf, musste ich eigentlich nur am Tisch sitzen, brav futtern und artig Schnaps trinken. Zum Mittag gab’s Mastika, einen Anisschnaps. Abends selbstgebrannten Rakija, die Früchte standen zwecks Gärung in der prallen bulgarischen Sommersonne. Man kann den Bulgaren vieles nachsagen, aber solange sie laufen können, so lange brennen sie Schnaps! Sie brennen auch Schnaps, wenn sie vor lauter Verköstigungsproben nicht mehr laufen können. Weiterhin sollte ich alles aufessen, was mir so serviert wurde. Das fiel mir nicht schwer, alle Mahlzeiten waren nämlich köstlich. Meine Frau musste natürlich im Haushalt helfen, jegliche Versuche meinerseits zu partizipieren wurden freundlich aber bestimmt abgelehnt und ich wurde auf meinen schnapsversorgten Platz verwiesen. Eines der besten Gerichte, die ich bei Maminka aß, war das Schopski Gjuvetsch. Wir beiden aßen es und hätten uns in das Essen hineinlegen können und sterben, so lecker war es.

Meine Frau fragte, wie denn genau dieses Essen zubereitet wird und das Rezept möchte ich gerne mit der Nachwelt teilen. Es ist wichtig, sich genau an die Menge der Zutaten, der Reihenfolge der Zubereitung und an die Garzeiten zu halten!

Das Rezept wird mit den Worten Maminkas aus meiner nicht mehr ganz zuverlässigen Erinnerung zitiert:

Schopski Gjuvetsch:

  1. Also für das Essen gehst zum Fleischer und kaufst Schweinefleisch. Und zwar so viel, wie du brauchst. Machst du das Essen nur für dich kaufst du weniger, machst du es für Besuch, kaufst du mehr. Du kannst auch Rind oder Hühnchen nehmen. Ist egal, aber Schwein ist besser, weil es fettiger ist.
  2. Das Fleisch musst du bisschen schneiden und bisschen braten. Fertig ist es, wenn es leicht braun ist, aber nicht zu braun.
  3. Du braucht auch bisschen Paprika. Danach schneidest du die Paprika in Ringe oder Streifen , wieviel Paprika ist dir überlassen, kommt darauf an wie viel Fleisch du hast. Hast du mehr Fleisch, dann nimmst du auch mehr Paprika. Magst du viel Paprika, nimmst du viel Paprika.
  4. Brauchst noch bisschen Zwiebeln oder bisschen Lauchzwiebeln oder bisschen Porree was dir lieber ist, oder was du da hast oder du nimmst alles. Wieviel? Bisschen, Bisschen. Das musst du dann auch schneiden. Und Kräuter. Guckst du in deinen Garten, was da ist. Dann einfach zupfen, waschen, kleinschneiden und reinschmeißen.
  5. Bisschen Tomaten kommen auch dazu oder bisschen Ljutenitza, je nachdem was da ist. Brauchst 1-2 Tomaten oder mehr, wenn du mehr Essen machst.
  6. Dann wird alles in einer Schmorpfanne geschmorrt. Wie lange? Es dauert so lange wie es dauert und dann eist es fertig.
  7. Dann nimmst du Weißbrot dazu, das ist wichtig, weil man tunken muss.

Zutaten:

  1. Bißchen Fleisch, Schwein, Rind oder Huhn
  2. Bißchen Paprika
  3. Bißchen Tomaten oder Ljutenitza
  4. Bißchen Zwiebel
  5. Bißchen Porree oder Lauch
  6. Viel Weißbrot, in Bulgarien gibt es da keine Kompromisse
  7. Bißchen Pfeffer, Salz
Vielleicht kein Augenschmaus, aber auf jeden Fall ein leckerer Schmaus!

Und schon hatten wir ein ganz einfaches Rezept, das wirklich jeder selber daheim kochen kann. Ich habe selten so eine simple Kochanleitung gesehen und wir haben das Essen schon mehrmals probiert nachzukochen. Komischerweise ist es uns nie gelungen, den Geschmack so einzufangen, wie es Maminka für uns zubereitet hat. Und das obwohl sie ihre Kochgeheimnisse geteilt hatte. Komisch, woran liegt das?

Vielleicht liegt der Grund aber in der Antwort auf die Frage meiner Frau, wie alle ihre Gerichte so gut sein können: „Es ist die Arbeit, die schmeckt!“

Entweder liegt der Unterschied in den selbstangebauten Zutaten aus dem Garten, wessen Anbau bekannterweise arbeitsintensiv ist.  Oder aber waren wir einfach nur faul?

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