Bad Salzuflen Teil 1, eine Reise ins Herz der Finsternis

Grund für die Reise nach Bad Salzuflen war der Kuraufenthalt meiner Mutter. Die benötigte nach 2 anstrengenden Kurwochen dringend die moralische Unterstützung ihrer Leibesfrüchte, um den Stress zu entfliehen. Die Vorstellung, dass Menschen auf Kur Spaß und Entspannung finden, ist nämlich grundlegend falsch.

So vieles an der aktiven Tagesgestaltung in der Kurklinik hat mich an meine Bundeswehrzeit erinnert. Morgens um 7 Uhr antreten zum Frühstück! Dann folgt ein volles Tagesprogramm, wo die Kurgäste von Station zu Station hecheln. Und wehe du bist nicht pünktlich! Aber zu früh, darfst du auch nicht rein. Bist du zu 9 Uhr bestellt, dann sei um 9 Uhr da! Nur in dieser einen Minute öffnet sich die Pforte zur heilsamen Therapiehölle.

Leider spiegelt dieses Bild die Realität in der heutigen Kurlandschaft wieder. Als gemeiner Kassenpatient lernt man eher die archtektonischen Klassiker der 70'er kennen und, na ja, lieben? Der Regenbogen wurde im Nachhinein durch Photoshop eingefügt.

Ein normaler Tag sieht beispielsweise so aus. 7 Uhr: Körperwahrnehmung mit Qui Gong. Wichtig: Socken mitbringen! Also direkt nach dem Frühstück. Körperwahrnehmung trainiere ich auch daheim ohne Qui Gong, dafür aber auf dem heimischen Toilettensitz. Mit Socken! Fliesen sind vor allem im Winter echt kalt. Für mich persönlich ist Einheit, der wichtigste Indikator des Tages. Alles, aber auch wirklich alles hängt vom Verlauf dieser Sitzung ab. Ich denke jeder, der sich der 40 nähert, kann dies gut verstehen.

10 Uhr: Verlaufsvisite im Patientenzimmer durch den wachhabenden Arzt. Als Untertitel ist hier zu lesen: „Bitte warten Sie auf ihrem Zimmer, bis sie gesehen wurden.“ Man stelle sich vor, der Arzt sieht ein nicht. Hört man dann auf zu existieren? Verfährt man nach der Logik von Descartes? Als Arzt sehe ich dich nicht, also existierst du nicht. Darf man zum Abendessen wieder raus oder zur nächsten Therapie?

Denn um 11:15 Uhr gibt es ein psychologisches Gespräch! Da können oben genannte Fragen tiefergehend erörtert werden. Allerdings, wenn der Arzt einen nicht gesehen hat, man dadurch aufgehört hat zu existieren, was kann dann noch besprochen werden? Findet dieses Gespräch überhaupt statt? Oder sitzt der Psychologe allein und führt Selbstgespräche. Oder benötigt er oder in diesem Fall selber einen Kuraufenthalt mit psychologischen Gesprächen?

Um 13 Uhr geht es weiter. Audiovisuelle Wahrnehmungsförderung. Andere sagen dazu Mittagsschlaf. Bitte dazu ein großes Handtuch mitbringen. Ist ja auch kalt.

15 Uhr: Aqua-Jogging oder Hydrojet. Bewegung muss sein. Dann warten auf Abendbrot, das gibt es ab 17:45 Uhr.

Die letzten Raucher haben um 22 Uhr in der desinfizierten Atmosphäre zu sein. Besser schon früher, denn es haben alle Angst vor der Nachtschwester, die komischerweise noch nie jemand gesehen hat. Danach Zähneputzen, Pullern und dann ab ins Bett. 

Anhand des Tagesablaufs ist also gut ersichtlich, dass man gerne als Kurgast nach Bad Salzuflen reisen kann, aber zum Lachen gibt’s hier nichts!

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